SCHRIFTBILDOBJEKTE
GEDANKENSKULPTUR / MIK
RUECKBLENDE
AKTUELL

NEBULÖSE VORSTELLUNGEN VON BUTTER UND SCHNEEFALL

EIN FIKTIVES INTERVIEW ÜBER DIE ARBEIT MIT IMAGINÄRER KUNST

Wenn man Sie über Ihre Arbeit sprechen hört, fällt immer wieder der Begriff "Gedankenskulptur". Was hat man darunter zu verstehen; worum geht es bei dieser Bezeichnung?

Nun, der Begriff Skulptur definiert eine dreidimensionale, vom Menschen geschaffene Form/Figur aus fester Materie, die wir real wahrnehmen, etwas, das wir berühren können. Das kann aus Stein sein, aus Metall, Holz, und diese Materialien kann man nicht nur sehen und berühren, sondern auch riechen, beispielsweise Holz.
Jedes Gebäude, Gebilde, jede ausgeführte Konstruktion geht auf eine Idee zurück, eine Vorstellung davon, wie später etwas aussehen soll.
Oft entsteht ein Haus bereits im Detail im Kopf des Architekten, bevor es dann mittels Plänen von Baufachleuten realisiert wird. Dadurch wird ein Gedanke, eine Vorstellung von etwas in Form von realer, fester Materie umgesetzt.
Bei der Gedankenskulptur entsteht die gedankliche Vorstellung eines Objektes, die über Worte definiert wird. Form, Grösse, Beschaffenheit von Material und Oberfläche, die dann aber nicht materiell umgesetzt werden, sondern nur in der Fantasie des Betrachters bestehen. Und das auch nur dann, wenn es gelingt, diese bestimmte Vorstellung mit Hilfe von Worten an den Betrachter weiterzuvermitteln. Dazu braucht es in erster Linie die Bereitschaft des Betrachters, der Betrachterin, sich auf diese Gedankenspielerei einzulassen. Die Leute werden also dazu aufgefordert, ihre eigene Kreativität, ihre Vorstellungskraft zu aktivieren, um die Erfahrung einer Gedankenskulptur überhaupt erst möglich zu machen. Und dadurch werden sie zwangsläufig selbst ausführendes Element eines kreativen Schaffensprozesses.

Und das gelingt auf diese Weise? Wie stellen Sie es an, eine Vorstellung, die nur in ihrem Kopf existiert, an Drittpersonen zu vermitteln; arbeiten Sie auch mit Bildvorlagen, oder beschränken Sie sich dabei auf Worte?

Bilder ja, Worte ja. Aber wie bereits erwähnt; nicht reale Abbildungen wie Fotografien oder ähnliches. Bilder entstehen durch Worte, die Worte definieren eine Vorstellung. Einer der besonderen Reize, auf der gedanklichen, nicht-materiellen Ebene zu bleiben, besteht darin, dass Materialien verwendet werden können, die es eigentlich so gar nicht gibt.
Das gibt mir die Möglichkeit, mit Wolken zu arbeiten, sie auf jede mögliche und vor allem unmögliche Art zu verarbeiten. In der Vorstellung kann man Wolken giessen, man kann sie in jedwede Form bringen und sie gedanklich härten. Danach können sie wie feste Objekte behandelt werden. Man kann diese imaginären Objekte auf dem Boden installieren oder sie frei im Raum schweben lassen. Alles ist möglich.

Auf welche Art und Weise werden solche Objekte installiert; braucht es dazu ein bestimmtes Umfeld?

Nun, man ist dabei nicht direkt an bestimmte Vorgaben gebunden; in geschlossenen Räumen aber wäre wohl der für Gegenwartskunst mittlerweile fast schon klassische Rahmen des „White Cube“ von Vorteil. Ich denke dabei an diverse, möglichst schlichte Räume, die dem Geist die Möglichkeit geben, die nötige Ruhe zu finden, um sich auf die Vorstellung zu konzentrieren, die im Raum entstehen soll. Die ideale Raumsituation für diese Art von Arbeiten wäre also, viele leere, hohe Räume von unterschiedlicher Grösse zur Verfügung zu haben. Kennt jemand zufälligerweise ein leer stehendes Museum? (lacht) Aber Spass beiseite; da ist dann also ein leerer Raum, etwa fünf Meter hoch, fünf Meter lang und vier Meter breit. Decke und Wände weiss gestrichen, der Boden ein helles Zementgrau. Im Raum ist in den meisten Fällen nichts weiter vorhanden, als ein dreibeiniger Metallständer, an dem eine Texttafel angebracht ist. Der so knapp wie möglich gehaltene Text definiert die Vorstellung einer imaginären Skulptur oder Installation, die der Betrachter dann in den leeren Raum vor sich projiziert. Die im Kopf entstandene Vorstellung wird also visualisiert, und wenn es gelingt, sich darauf einzulassen und sich ganz auf die Vorstellung zu konzentrieren, dann können äusserst ungewöhnliche Kunstobjekte vor dem geistigen Auge entstehen.

Es ist also nichts anderes vorhanden, als eine Textplatte und ein leerer Raum, in dem dann etwas sein sollte, das nicht wirklich vorhanden ist. Glauben Sie nicht, die Leute damit zu überfordern?

Wenn man sich darauf einlässt, sich der Vorstellung hingibt, dann wird etwas da sein. Wenn auch nichts Greifbares. Und vielleicht auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Aber diese eine Sekunde lang lässt sich etwas erfahren, das beinahe real ist, das in der Erinnerung bleiben wird. Vielleicht mehr, als die Erinnerung einer realen Abbildung. Im besten Fall.

Dann können in einer solchen Ausstellung also keine Objekte käuflich erworben werden, kann nichts mit nach Hause genommen werden?

Mit nach Hause nehmen kann man hoffentlich Einiges, interessante innere Bilder, vielleicht auch die eine oder andere Erfahrung. Und man braucht dazu noch nicht einmal eine Tragtasche. Etwas schwieriger wird es, wenn man das gedankliche Objekt dann zu Hause jemandem zeigen will (verzieht den Mund zu einer Grimasse).
Aber doch, es gibt auch Anderes zu sehen, real existierende Objekte. Als ich mit der Konzeption der Gedankenskulptur begann, wollte ich eigentlich erst nur mit Texten arbeiten. Aber dann wurde mir schnell klar, dass der Schritt von null auf hundert für das Publikum in den meisten Fällen zu gross sein würde. Deshalb habe ich in der Folge auch reale Objekte geschaffen, die als Hilfsmittel, als Bindeglieder sozusagen, zwischen der materiell sichtbaren und der rein gedanklichen Ebene fungieren. Dabei sind dreidimensionale Schriftbildobjekte entstanden. Texte, auf Plexiglas montiert, leicht zurückversetzt hinter einer Mattglasscheibe, das ganze von einem Holzrahmen umgeben. Da hängt dann etwas Reales vor einem an der Wand, das in der Folge aber auch über das Objekt hinausgehen und in Gedanken seine Fortsetzung finden kann. Ein Beispiel dafür ist das Nebelobjekt, das real im Raum vorhanden ist; die Erweiterung davon, die Vorstellung einer Nebeldecke, die den Raum kniehoch bedeckt, muss dann aber in der Vorstellung entstehen. Ein Text, der neben dem Schriftbildobjekt an der Wand klebt, leitet dazu an. Es sind auch Objekte in anderer Form entstanden, um den Einstieg in diese Welt der Vorstellungen zu erleichtern.

Zurück zur Gedankenskulptur: Wie viele solcher Vorstellungen kann man schaffen, bis die Idee ausgereizt ist und die Spannung abnimmt?

Interessante Frage; das ist bestimmt ein Thema. Obwohl man eine unendliche Fülle an Möglichkeiten in Bezug auf Vorstellungen oder Rohmaterialien zur Verfügung hat, scheint es mir wichtig, nicht in Beliebigkeit abzudriften. Es hat Spass gemacht, die verschiedenen Aspekte und Möglichkeiten dieser Idee auszuloten. Das gilt für die Art der Übermittlung, wie auch für die Vorstellungen selbst. Es gibt klar definierte Vorstellungen, bei denen Grösse, Farbe, Material und Standort exakt vorgegeben sind. Dann wiederum gibt es auch Definitionen, die bei der Umsetzung der Objekte einen gewissen Freiraum lassen, und beim individuellen Betrachter individuelle Vorstellungen wach werden lassen. Ein Beispiel dafür ist die geistige Umsetzung des Bremsgeräusches einer Dampflokomotive in Form einer dreidimensionalen Metallskulptur, die auf ein weiss gestrichenes, real im Raum vorhandenes Holzpodest projiziert wird. Ich habe mein Bild davon, wie diese Skulptur aussieht, aber jeder andere wird daraus wieder ein anderes Bild machen.

Anderes Thema; wieso überhaupt öffentliche Ausstellungen? Wäre es nicht auch möglich, das Konzept dieser Idee ausschliesslich in Druckform zu transportieren? Es bei einer Publikation zu belassen, da es dabei ja auch hauptsächlich um Texte geht.

Das wäre durchaus denkbar, wenigstens im Ansatz. Aber dadurch, dass man sich an einen bestimmten Ort hinbegibt, in speziell dafür geschaffene Räume, in denen man von alltäglichen Ablenkungen abgeschottet ist, wird es leichter fallen, sich auf diese Gedankenspielerei einzulassen. Und dabei hat man auch den notwendigen, leeren Raum um sich herum. Wer hat das schon bei sich zu Hause; ich nicht...
Und ausserdem sind da ja auch noch die real vorhandenen, dreidimensionalen Schriftbildobjekte. Sicher, die können auch auf Fotos abgebildet werden, aber das ist schlussendlich doch nicht ganz dasselbe. Ausserdem werden in einer Ausstellung Vorstellungen durch dezente Hilfsmittel wie Bleistiftmarkierungen zugänglicher gemacht. Aber die Idee und das Konzept lassen sich bestimmt bis zu einem gewissen Punkt auf schriftliche Art und Weise weitervermitteln. Eine Publikation in dieser Form ist bereits geplant. Trotzdem sollte dies kein Ersatz sein für die Erfahrung solcher Werke vor Ort, wie sie in wirklichen Räumen stattfinden kann. Ich sehe eine Publikation in schriftlicher Form vielmehr als begleitende Dokumentation, die Ausstellungen in Museen oder dem öffentlichen Raum erst recht möglich macht.

Wolken, Nebel, Bremsgeräusche. Welche weiteren, ungewöhnlichen "Materialien" verwenden sie für ihre Skulpturen?

Eine weitere Spielart besteht in der gedanklichen Umsetzung von Gerüchen. Der Geruch von frisch gemähtem Rasen in Form eines halbtransparenten Kubus zum Beispiel. Solche Dinge. Und Schnee. Der von der Decke des jeweiligen Raumes fällt und sich dann auflöst, sobald die Flocken den Boden berühren. Zurück bleibt der Geruch von Schnee. Den wir ja alle kennen. Ein Teil dieser Arbeiten wird dadurch geschaffen, dass Erinnerungen von Erfahrungen abgerufen werden, die jeder einmal gemacht hat. Oder irgendwo gesehen und dann in seinem Kopf gespeichert hat.
Eine weitere Variation besteht darin, widersprüchliche Mitteilungen zu kombinieren. Einen Laubrechen aus Metall mit dem Schriftzug "Tender Touch" zu kombinieren. Dadurch eine gedankliche Reaktion auszulösen. Meine neueren Objekte zielen in diese Richtung, wollen Assoziation auslösen. Wichtig ist nicht das eigentliche Objekt als solches, sondern was es in deinem Kopf auslöst. Die Folgebilder, Gedanken, Gefühle.

"Tender Touch", ein gutes Stichwort. Wieso so viele englische Titel, Texte, wo Deutsch doch ihre Muttersprache ist und Sie selbst in der Schweiz leben?

Ich finde, die englische Sprache wirkt oftmals weicher als Deutsch, optisch wie auch akustisch. Aber ein weiterer Grund liegt zu einem Teil auch darin, dass ich zu der Zeit, wo ich damit begonnen habe, mich intensiv mit der Idee der Gedankenskulptur auseinanderzusetzen, in den USA lebte. Ein anderer, nicht unwesentlicher Punkt, besteht ferner in der Tatsache, dass die Werke dadurch auch international verstanden werden können.

Um noch einmal kurz auf die gewählten "Materialien" zurückzukommen: Wieso Wolken, Nebel, Butter und dergleichen?

Das Material oder die Stoffe, die ich gedanklich verarbeite, haben in den verschiedensten Kulturen Symbolgehalt. Nebel steht für das Unbestimmte, das Vage, auch für das Phantastische. In mythologischen Darstellungen mancher Völker steht Nebel für den Urstoff der Welt. Damit verbunden sind auch Wolken, die oft als Wohnsitz der Götter gelten, des Übersinnlichen. Für mich verbinden sie die reale Erde mit der nicht greifbaren Unendlichkeit des Himmels. Butter gilt vor allem in Indien als Träger kosmischer Energie. Und Gedanken wiederum sind für mich eng mit Energie verbunden. Auch Formen und Farben werden nach ihrem Symbolgehalt ausgewählt und sind meist nicht zufällig. Ich bringe nicht greifbare Substanzen oft in die Form eines Kubus. Der Würfel ist ein begrenzter Köper, der aus Quadraten zusammengesetzt ist. Und Quadrate stehen für das Begrenzte, im Gegensatz zum Unbegrenzten, nicht Greifbaren. Würfel sind Symbol für das Solide, Feste, ebenso wie für die Ewigkeit. Dadurch, dass ich abstrakte, nicht materiell definierte Substanzen und Vorstellungen in die Form eines Kubus bringe, versuche ich sie greifbar zu machen.

Wie sind Sie dazu gekommen, sich mit dieser Art von Kunst zu beschäftigen; gab es dafür besondere Gründe?

Man macht Dinge meistens aus einem bestimmten Grund, aufgrund bestimmter Umstände. Um diese Frage zu beantworten, muss ich wohl etwas weiter ausholen.
Als Jugendlicher schrieb ich Gedichte. Dann entdeckte ich meine Leidenschaft für die Fotografie; ich verliess die Schule und stand bereits kurz davor, eine Ausbildung als Fotograf zu beginnen, was sich dann aber aus verschiedenen Gründen zerschlug. Während ich diverse Geldjobs ausübte, beschäftigte ich mich weiterhin selbstständig mit der Fotografie. Wenig später begann ich dann zu zeichnen und bemalte jede Art von Untergrund mit Figuren. Ich verarbeitete auch Abfall zu kleinen Skulpturen, schuf eine Serie von sogenannten "Zeitobjekten", die ich 1986 in einer ersten öffentlichen Ausstellung zeigte. Dann beschäftigte ich mich während einiger Jahre intensiv mit Malerei, bevor ich mich in den neunziger Jahren vom Material wegbewegen wollte und damit anfing, mich mit der konzeptionellen Arbeit der Gedankenskulptur auseinanderzusetzen. Mit dem Ziel, mein Atelier auf die Grösse eines Schreibblocks zu reduzieren. Was schlussendlich nicht ganz gelungen ist.
Dass ich vom Material weg wollte, dafür gibt es verschiedene Gründe: Einerseits hatte ich den Anspruch, das Schema von aktiv Schaffendem auf der einen Seite und passivem Betrachter auf der anderen Seite aufzubrechen und den Betrachter zum aktiven Teil meiner Arbeit zu machen, ihn miteinzubeziehen. Und da reichte es dann plötzlich nicht mehr, einfach Bilder an die Wand zu hängen, die dann von irgendwem irgendwie wahrgenommen werden.
Und diese Idee, scheinbar Unmögliches möglich zu machen, hatte ich schon länger im Hinterkopf. Also setzte ich mich irgendwann hin, um die losen Gedankensplitter zusammenzusetzen. Daraus entstand dann die Idee der Gedankenskulptur, wobei auch bald darauf schon der dazu passende Behälter in Gedanken entwickelt wurde: Das "Museum im Kopf"; MIK abgekürzt, dessen geistige Grundsteinlegung 1994 in Form einer Gedankenskulptur im Rahmen einer Inseratenanzeige im Kunstmagazin "ARTIS" öffentlich gemacht wurde. Das MIK selbst soll dabei nicht Kunstwerk sein, sondern vielmehr dazu dienen, die verschiedenen Vorstellungen in einem entsprechenden Rahmen zu dokumentieren. Die Ausarbeitung der Idee dieses geistigen Museums habe ich damals zwar begonnen, bisher aber noch nicht zu Ende gebracht. Vielleicht in diesem Jahrtausend...

Sie erwähnten verschiedene Gründe...

...von wegen Material, ja. Die vielen Zeitobjekte, die bemalten Holztafeln, Fotografien, Rohmaterialien wie Metall, Rahmen, u.s.w.; all das wuchs sich irgendwann zu einem riesigen Stein am Bein aus, der mich unbeweglich machte, mich behinderte. Was zu diesem Zeitpunkt auch mit dem Umstand zusammenhing, dass ich den K-Bunker-20, ein über zweihundert Quadratmeter umfassendes, unterirdisches Gewölbe, das mir als Ausstellungsraum, Atelier und Lager diente, in Basel aufgeben musste, weil ich in mich dazu entschieden hatte, in die USA zu gehen, wo ich im Herbst 1992 meine heutige Ex-Frau, eine US-Amerikanerin, heiratete. Es war finanziell einfach nicht tragbar, diese Räumlichkeiten in der Schweiz beizubehalten. Und irgendwie hatte ich auch die Nase voll davon, diese vielen Dinge. Ich entsorgte damals anderthalb Tonnen Material. Und seitdem ich begonnen hatte, mich vermehrt auch bewusst mit der Krankheit Multiple Sklerose auseinanderzusetzen, an der ich seit 1985 leide, habe ich mich auch mehr mit den Möglichkeiten des Geistes beschäftigt, was dann eben auch immer mehr in meinen künstlerischen Ausdruck eingeflossen ist. Und es mir jetzt auch durchaus wichtig wurde, positive Dinge auszudrücken, gute Gefühle zu schaffen, nachdem ich mich in den achtziger Jahren vornehmlich mit der bösen, schlimmen Welt auseinandergesetzt und kritische Kommentare dazu geschaffen hatte, die Zeitobjekte eben.
Irgendwann machte es aber keinen Sinn mehr, negative Gefühle auszudrücken, sie quasi noch auf ein Podest zu stellen. Dafür gibt es schon genug Schaufenster; TV, Zeitungen, u.s.w. Wie gross ist denn der Anteil an positiven Meldungen? (...) Ich wollte mich neu orientieren, schöne Dinge machen, zeigen.

Dann steckt also hinter der Idee der Gedankenskulptur die Absicht, schöne Dinge herzustellen...?

Nicht Dinge. Ist der falsche Ausdruck für diese Art von Arbeiten. Vorstellungen, Gefühle, Erfahrungen. Und das alles irgendwie auch mit einem Augenzwinkern, nicht todernst. Ich sehe die Idee der Gedankenskulptur nicht als eine hochgeistige, intellektuelle Sache. Mir ist der poetische Aspekt dabei wichtiger. Und dann habe ich eben auch den Anspruch, oder die vielmehr die Hoffnung, Leute anzuregen, selbst aktiv zu werden, kreativ. Ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Vorstellungskraft auszuloten, die zweifellos bei jedem Menschen vorhanden ist.

Im Sinne von Joseph Beuys, von wegen "...jeder Mensch ist ein Künstler..."

...aber dabei ist es nicht jedem gegeben, seinen Lebensunterhalt dadurch zu bestreiten. Dieser Zusatz wird oft unterschlagen.

Auch Beuys schuf schon imaginäre Skulpturen. Hatte das Vorbildcharakter für ihre Arbeiten?

Nicht wirklich. Bestimmt habe ich den Ausdruck der imaginären Skulptur im Zusammenhang mit Beuys früher einmal gelesen. Ich habe zwar keine bewusste Erinnerung daran, aber mein Unterbewusstsein hat das mit ziemlicher Sicherheit aufgenommen. Und dadurch wurde meine Arbeit auf gewisse Weise vermutlich auch beeinflusst. Die Machbarkeit solcher Dinge. Was genau aber das für Beuys war, was es ihm bedeutete, weiss ich nicht. Habe ich nicht nachgeforscht. Einfluss hatten da schon eher die Arbeiten von Yoko Ono aus den sechziger Jahren, ihre "Mind Games". Die auch schon ganz andere Leute inspiriert haben... Obwohl ich die Mehrzahl ihrer Arbeiten erst kennengelernt habe, nachdem ich bereits mit der Arbeit an der Gedankenskulptur begonnen hatte. In Orono kam mir Objects and Arias, ein Bildband über ihr Werk, in die Finger, als ich planlos im Bookstore auf dem Gelände der University of Maine herumstöberte. Erst war es frustrierend, zu erfahren, dass das schon jemand gemacht hat, dieses Spiel mit Gedanken und Vorstellungen im Zusammenhang mit Kunst. Dann wiederum war es aber auch befriedigend, zu sehen, dass man solche Dinge tun kann, dass es nicht völlig abgehoben ist, mit Gedanken zu arbeiten. Und meine Arbeiten unterscheiden sich mehrheitlich vor allem auch in der Art der Umsetzung doch ziemlich deutlich von Onos Werken. Man kann das möglicherweise schon als Aspekt davon gelten lassen, als Variation. Das ist für mich aber kein Grund, nicht in dieselbe Richtung zu arbeiten. Einige Jahre später entstand auch ein Objekt als Querverweis auf Ono`s Schaffen, das Schriftbildobjekt "Tribute-to-piece: Yes (Yoko Ono)". Ich sehe das nicht als Plagiat. Ich mag auch Ready-Mades. Die Werke von Marcel Duchamp waren zu jener Zeit zweifellos bahnbrechend, diese Erweiterung von Kunst auf Alltagsgegenstände mit veränderter Bedeutung. Duchamp war der erste, der sich auf solche Dinge eingelassen hat; diese Arbeiten lassen sich aber auch beinahe hundert Jahre später auf eine neue Weise wieder entdecken. Variationen zum Thema, verschiedene Aspekte halte ich für erlaubt, vor allem wenn das Thema ein so spannendes ist. ...Nicht dass ich mich auf eine Stufe mit Duchamp oder Ono stellen möchte, keinesfalls...

Gut schweizerische Bescheidenheit...

Gott, ja... (schlägt verschämt die Hand vor den Mund und lacht augenzwinkernd).

(Der Text ist anlässlich der Ausstellung „retRoSPEKTIV:jeltsch“ entstanden, die im September 2001 in der Gundeldinger Kunsthalle Basel stattgefunden hat.)

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